Geschichte Teil 6


Nachdem nun seit seiner Erbauung gerade das Schützenhaus schon viel erlebt und erduldet hatte(1), schauen wir uns sein weiteres Schicksal etwas näher an. Die Schützengesellschaft war Vergangenheit und seine ehemaligen Mitglieder verhielten sich ruhig, wie so viele Menschen damals, warteten auch sie ab und versuchten ihr Leben neu zu organisieren. Der letzte Pächter des Schützenhauses O. Oehler hatte ja seine Wohnung am 28. Juli 1945 auf Anweisung des Bürgermeisters Unger verlassen müssen. Am 2. September 1947 nun richtete er ein Gesuch auf Entschädigung an den Landrat. Er habe das Gebäude wegen der Beschlagnahmung durch die Besatzungsmacht verlassen müssen und habe nur das Notwendigste in die Ratskellerwohnung mitgenommen, die ihm zugewiesen worden war. Das sei geschehen, da die Zeit drängte und sein Auszug nur vorübergehend sein sollte. Schnell sei er durch die Neuverpachtung wieder zum Auszug gezwungen worden und sei in seiner Heimatstadt Schleiz untergekommen, von wo aus er die Geschehnisse im Schützenhaus beobachten und seine Rückkehr abwarten wollte. Als aber im Frühjahr 1947 die „Russen“ abgezogen seien, sei alles was nicht niet- und nagelfest gewesen sei von ihnen mitgenommen worden. So sei auch sein Eigentum, das einen Wert von 1250 RM besessen habe, verschwunden. Der Antrag wurde schließlich mit dem Hinweis abgelehnt, dass dafür keine Mittel zur Verfügung ständen.

 

Es folgte eine Zeit bis Anfang der 50er Jahre, in welcher weiterhin Getreide im Schützenhaus gelagert wurde. Nun aber werden von verschiedenen Seiten Ansprüche auf das Schützenhaus und die Schützenhalle vorgebracht.

Kindertag auf dem Schützenplatz 1951, im Hintergrund links: der Steigerturm(2)
Kindertag auf dem Schützenplatz 1951, im Hintergrund links: der Steigerturm(2)

So glaubt auch die noch recht junge FDJ in Mühltroff Ansprüche geltend machen zu können, allerdings war ungewiss, ob sie auch sämtliche Lasten der Gebäude (Hypotheken etc.) übernehmen würde. Anfang 1952 gibt der Bürgermeister allerdings nach einigem Hin und Her bekannt, dass der Einspruch des Rates gegen die Übergabe an die FDJ Erfolg gehabt habe und das Schützenhaus nun in das Eigentum des Volkes(3) übergehe. Allerdings nutzte die FDJ weiterhin einen Nebenraum mit ca. 100 Plätzen im Schützenhaus. Noch 1952 wurden Schützenhaus und Turnhalle festlich zur Nutzung an die hiesige Jugend übergeben. Die Stadt Mühltroff hatte als staatliche Treuhänderin noch Reparaturen und Umbauten vorzunehmen, sie mit Turn- und Sportgerät auszustatten und sie weiterhin instand zu halten. Am 1. Mai 1954 erhält das altehrwürdige ehemalige Schützenhaus schließlich die Bezeichnung „Karl-Marx-Haus“ und wird als so genannte kulturelle Vergnügungsstätte nur noch wenig genutzt. Was dazu seine ehemaligen Besitzer und Erbauer zu sagen hatten oder gedacht haben hat die Öffentlichkeit aus erdenklichen Gründen nie erfahren. Im Laufe der Zeit hatte sich auch die FDJ mehr und mehr in den Saal des Goldenen Löwen orientiert, der ihr für ihre Veranstaltungen wohl mehr zusagte. Gerade die Turnhalle, an welche noch die Kegelbahn angebaut worden war, wird nun besonders in den Abendstunden regelmäßig und fast über ihre Leistungsfähigkeit hinaus genutzt. Nicht nur die Schule, auch die BSG(4) Fortschritt mit den Abteilungen Fußball, Turnen (Männer- und Frauenriege), Radfahren und Kegeln betätigten sich dort sportlich. Und um 1970 waren nun auch endgültig die letzten an die früheren Schützenvergnügen erinnernden Einrichtungen wie Schießstand, Scheibenstand und Vogelstange verschwunden. Lange schon liegt bis auf wenige Ausnahmen der Schützenplatz verödet und leer da, ob er aber jemals wieder mit Leben erfüllt werden kann, scheint zweifelhaft...

 

Mit der politischen Wendezeit in Deutschland ab 1989 kam ein neuer Umbruch, auch auf das Schützenhaus zu und so erscheint es nicht verwunderlich, dass eine der ersten Amtshandlungen des neuen Bürgermeisters Ulrich Weiß im Juli 1990 die Rückbenennung des „Karl-Marx-Haus“ in Schützenhaus war.

 

Es folgte eine Zeit des Zurechtfindens und der wirtschaftlichen Neuabsicherung für viele Mühltroffer. Einige mehr oder weniger ernst zu nehmende Gedanken an eine Neugründung der Schützengesellschaft entstehen und werden wieder verworfen. Am 5. März 1999 um 18.00 Uhr war es dann laut Protokoll so weit, nach einigen Vorbereitungen trafen sich sieben Gründungsmitglieder in der Gaststätte Goldener Löwe. Die Privilegierte Schützengesellschaft 1763 Mühltroff e.V. entstand an diesem Tage neu und existiert bis heute. Die Gründungsmitglieder waren: 1. Vorsitzender Bernd Geißer †, 2. Vorsitzender Uwe Rauh, Schatzmeister Ronald Kalinowski, Schützenmeister Andreas Wude †, Schriftführer Ingolf Nielsen, als Kassenprüfer Wolfgang Bischoff und Mario Taubner.

Der Hausschießstand unserer heute etwa 20 Mitglieder ist der Schießstand Schneckengrün und unser Vereinslokal ist noch immer der Goldene Löwe. In den Folgejahren wurde bei vielen Vereinsveranstaltungen das Schützenwesen in Mühltroff wieder mit Leben erfüllt. Uniformen, eine neue Fahne mit Stange, eine Königskette mit Schild und andere Utensilien wurden neu angeschafft. Ganz besonders stolz waren wir, als wir den letzten Jungschützen der alten Schützengesellschaft Erich Knüpfer † als Ehrenmitglied in unserer Gesellschaft begrüßen konnten. Regelmäßig nahm er bis zu seinem Tod an den Vereinsvergnügen teil und hatte so manche Geschichte zu erzählen. Seit 2004 werden nun wieder jährlich ein Schützenkönig und ein Saukönig unter den Mitgliedern der Gesellschaft ausgeschossen.

 

 

(1)     Zu allen bereits genannten Nutzungen kommen der Vollständigkeit halber noch: etwa 1915-1918 Genesungsheim für verwundete, deutsche Soldaten und 1945 Isolierstation des Plauener Krankenhauses

(2)     Schlauchturm zum Trocknen von Druckschläuchen nach dem Einsatz, zugleich Übungsturm z.B. für den Einsatz von Leitern und dem Abseilen

(3)     Volkseigentum ist eine besondere Form des Eigentums, das in sozialistischen Rechtsordnungen zu finden war/ ist

(4)     Betriebssportgemeinschaft

 

Quellen:

„Nachlass Frotscher“, Nr. 60

www.wikipedia.org

Privatsammlung

 

Verfasser:

Taubner-Wude, Mario